Erinnerungen an über 60 Jahre Elektronik

Anfänge in den Fünfzigerjahren

Meine persönliche Geschichte der elektronischen Musik beginnt 1955, mit einem Konzert, in das ich wahrscheinlich recht nichtsahnend geriet. Auf dem Programm standen Kompositionen von André Jolivet, Harald Genzmer und Oscar Sala und als Ausführende waren angeführt Oscar Sala und Ginette Martenot. Schon beim ersten Stück, einem Orchesterstück von Jolivet mit Ondes Martenot machte sich Unruhe bemerkbar im Publikum. Dann aber, als das Orchester sitzenblieb (sitzen bleiben musste, aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen) und sich ein Mann allein an einer Art überdimensionierten Hammondorgel zu schaffen machte, begann es wirklich kritisch zu werden. Merkwürdige Klänge ertönten, das Orchester (das offenbar schon etwa wusste, was da geschehen würde) begann, sich zu unterhalten und dann, als aus dem Lautsprecher ein komisches Rauschen erklang, geschah es: ein Orchestermitglied stellte den Kragen hoch und entfaltete einen Regenschirm. Gleichzeitig begannen Scharen von Konzertbesuchern empört den Saal zu verlassen, zum Teil laut protestierend und Türen knallend. Oscar Sala spielte ungerührt sein 'Konzert für Mixturtrautonium und elektronisches Schlagwerk' weiter. Mir blieb vor allem der unwirkliche Klang der Ondes Martenot im Gedächtnis haften.
Erst 1957 hörte ich wieder elektronische Musik, an einem Konzert im Radio Zürich mit Werken aus dem Mailänder elektronischen Studio. Das gefiel mir allerdings nicht allzusehr, es war zu weit entfernt von meinen persönlichen Musikerfahrungen – ich war auf Jazz und die 'Klassiker' der Moderne wie Bartok, Strawinsky, Martin fixiert.
1958 hörte ich einen Vortrag von Hermann Erpf über die Klangstruktur der Musik – auch das kam mir sehr theoretisch vor. Der Philips-Pavillon mit der Musik von Varèse/Xenakis an der Weltausstellung in Brüssel faszinierte mich nicht – es war zwar interessant, die in der Luft herumfahrenden Klänge zu hören, aber die Musik selber schien mir steril. Spannender waren die Tonbandexperimente, die mein Freund (damals unser Schlagzeuger) Niels Andersen mit einem Tonbandgerät machte. Seine Werke 'Pastorale für Gummione und Bürste/ Rondino für 2 Gummionen und Papierkorb, Sonate für Gläser, Schachtel und Deckel, Neurose für 4 Flaschen, Papierstreifen und Wecker, Requiem für 2 Rülpser und Kamm. Concertino grosso für runde Blechdose, Prélude für 1 Klosett und Wasserhahnen' (die Titel sprechen für sich) waren zwar vor allem Geräuschexperimente und benutzten die Möglichkeiten der Tonbandtechnik wenig, aber sie waren äusserst originell und wir unterhielten uns glänzend damit.
In Basel besuchte ich auch einige Musikwissenschaft-Vorlesungen, allerdings fühlte ich mich als Jazzer inmitten der allwissenden Mitstudenten unwohl und gleichzeitig – dank meinen erfolgreichen Auftritten – irgendwie überlegen.
Ich selber hatte schon seit einiger Zeit Tonbandgeräte, zuerst ein Magnetdraht-Gerät (Webster), dann ein frühes Revere-Gerät. Ich benutzte sie aber nur für Aufnahmen ab Radio und bei unseren Proben und Konzerten, ohne von den Möglichkeiten des Schneidens Gebrauch zu machen – dafür war mir das Tonbandmaterial zu teuer.
Dann kam 1960 der Abschluss des Psychologie-Studiums, Hochzeit und Assistentenzeit in Biel etc – elektronische Musik rückte ganz an den Rand meines Interesses. Immerhin: Etwa 1961 stiess ich auf die Bücher von Kurt Prieberg (zuerst 'Musica ex machina') – die verschlang ich, und daraufhin fand ich auch ein paar LPs, die mich interessierten, vor allem eine mit amerikanischen Experimenten (Otto Luening, Henry Jacobs etc).

Einstieg in die Filmmusik.

1962 kam ich nach Zürich und begann, als Saxophonist im „Africana" u.a. mit Remo Rau und Hans Kennel zu spielen. Ich arbeitete bei der Akademischen Berufsberatung und begann eine Psychoanalyse mit dem Berufsziel Psychotherapeut.

Ich hatte für Jazz-Kleinformationen und eine eigene Bigband arrangiert und komponiert. Mit Aufnahmetechnik hatte ich Kontakt durch Radioaufnahmen und gelegentliche Engagements als Studiomusiker, aber ein Leben als Berufsmusiker konnte ich mir nicht vorstellen. Aber es kam anders: Durch glückliche Zufälle konnte ich die Musik für ein paar kurze Filme schreiben und produzieren. Dabei sah ich zum ersten Mal den Schneideraum einer Filmproduktion und realisierte in der Praxis, wie man Musik durch Schnitt verändern konnte. Musik wurde von der  Freizeitbeschäftigung immer mehr zum Lebensziel.

1964, an der Expo in Lausanne, hörte ich die elektronische Musik von Werner Kruse im Modepavillon und natürlich die Büromaschinen-Musik „Les Echanges“ von Liebermann – beides beeindruckte mich sehr, und so etwas hätte ich auch gerne gemacht.

Im November 1964, schneller als ich je gedacht hätte, war ich schon mitten drin. Der Werber Victor N. Cohen  bot mir an, in seine neue Filmfirma als „Tongestalter“ einzutreten – er hatte damals schon die Vision des „Sound Designers“, der den Techniker und den Künstler vereinen sollte und den Tonteil des Films integral gestalten sollte. Ich wagte den Sprung, obwohl mir die Ausbildung dazu weitgehend fehlte – weder wusste ich viel von Tontechnik, noch viel von Filmgestaltung und als Komponist und Arrangeur war ich weitgehend Autodidakt. Meine musiktheoretische Vorbildung bestand vor allem aus – als Klavierstunden deklarierten – Theoriestunden beim Basler Komponisten und Jazzmusiker Robert Suter, der mich im Expresszug und recht spielerisch durch Harmonielehre, Kontrapunkt und Zwölftontechnik geführt hatte, alles in der Annahme, dass ich das nur als Hobby lernen wollte. Nun war ich konfrontiert mit Geräuschaufnahmen mit einem Nagra-Tonbandgerät, dem Organisieren von Tonstudios, Sprechern und Musikern, dem Schneiden von Aufnahmen auf einem Filmschneidetisch, all den praktischen Tücken der damaligen Tonstudios, dem Konzipieren, Komponieren und Dirigieren von Musik für TVspots – alles kam gleichzeitig auf mich zu, noch dazu mit dem Problem, dass meine Kolleginnen und Kollegen in der Firma auch noch wenig Erfahrung hatten. Vor allem hatten wir am Anfang eine Cutterin, die bei Musik völlig überfordert war – es blieb nichts anderes übrig, als selber das Handwerk zu lernen und in langen Nächten im feuchtkalten Schneideraum (Beginn meiner vielen Hexenschüsse) zu versuchen, Bild und Ton synchron hinzukriegen. Ein Film für Bally-Schuhe, der nur aus stehenden Bildern bestand, war mein Lehrstück: ich nahm nach den Vorgaben des Regisseurs eine Musik auf und schnitt dann die Bilder synchron dazu – die Arbeit einer Nacht, in der ich die Bedienung des ARRI-Schneidetischs einigermassen erlernte. Die Techniken zum Schreiben von synchroner Filmmusik musste ich mir selber erarbeiten, denn das, was in den Lehrbüchern stand, war auf die Verhältnisse der amerikanischen Studios zugeschnitten und hier kaum anwendbar. Ich bastelte mir „Clicktracks“ aus Leerfilm, auf die ich mit Fettstift Kreuze malte; so konnte ich die Orchester einigermassen synchron dirigieren. Instrumentieren lernte ich durch ein Lehrbuch und durch die Reaktionen der Musiker im Studio, die mir deutlich genug sagten, wenn etwas unspielbar war (oder auch ihnen zu mühsam schien...).

Damals war man in der Welt der TVspots noch recht wagemutig und experimentierfreudig. Ich merkte bald, dass es wichtig war, neuartige Klangeffekte zu verwenden, und das brachte mich zurück auf meine frühe Liebe zu den Ondes Martenot. 1965 bestellte ich mutig ein Instrument in Frankreich und begann sofort, es überall einzusetzen, wo es nur möglich war, zum Beispiel im März 1966 für eine „Jazz und Lyrik"-Produktion, die im Stadthaus Zürich aufgeführt wurde. Mit den Klängen der Ondes entstanden Werbespots für so unterschiedliche Firmen wie Kodak, Riri, Usego, Ciba und Möbel Pfister.

An unserem Wohnort Schlieren war auch ein Tonstudio ansässig: im Saal des Restaurant Salmen nahm Walter Wettler, einer der besten Tonmeister der Schweiz, regelmässig auf. Seine Aufnahmen klangen besser als die der anderen Studios, vor allem aber war die Arbeit mit ihm anregend: er hatte immer wieder Ideen, wie man eine Aufgabe lösen konnte, je schwieriger, desto besser. Von ihm und von seiner Assistentin Frau Brand lernte ich die Geheimnisse des Tonbandschnitts. Er baute etwas später auch meinen ersten Ringmodulator und modifizierte ein Revox-Tonbandgerät so, dass seine Geschwindigkeit von ca. 3 cm/s bis zu etwa 80 cm/s stufenlos gesteuert werden konnte (bei dem Tempo musste man aufpassen, dass die Spule nicht in den Raum geschleudert wurde...).


Jaap Spek

Zufällig las ich von einem Kurs über elektronische Musik in Köln. Stockhausen war mir natürlich ein Begriff – weniger von seinen Werken her wie Studie I & II oder Gesang der Jünglinge, die mir damals nicht sehr gefielen, viel mehr von 'Momente' und 'Kontakte', die ich sogar mehrmals in Aufführungen erlebte und die mir sehr grossen Eindruck machten. Den Kurs wollte ich besuchen – allerdings hatte ich Angst vor der akademischen Welt der Komponisten, traute mir keinen Kurs bei Stockhausen selbst zu, sondern beschränkte mich auf einen technischen Einführungskurs bei seinem Assistenten Jaap Spek. Der Kurs war auch zeitlich und finanziell machbar neben der täglichen Arbeit – und so fuhr ich dann zwischen Oktober 1965 und März 1966 alle paar Wochen für einen Tag nach Köln, nachts um 12 Uhr ab Zürich mit dem Nachtzug, morgens um 6 Uhr in Köln, Kurs bis 18 Uhr, dann wieder im Zug zurück, um Mitternacht wieder zu Hause. Die anderen Teilnehmer nahm ich kaum wahr – wie ich erst viel später erfuhr, waren es Leute, die fast alle später als Komponisten Karriere machten (u.a. Irmin Schmidt, Ivan Tcherepnin, Clarence Barlow). Spek war voller Ideen – nicht alles war realisierbar, aber ich lernte ungeheuer viel über den Umgang mit dem Klangmaterial. Ich habe kürzlich meine Notizen zu diesem Kurs wieder gefunden und sehe, dass wir bei Spek - neben den Grundlagen der Elektroakustik und auch der Funktionsweise des Ringmodulators - auch Vieles über den Umgang mit Tonbandgeräten lernten: eine Schaltung, bei der der Ausgang eines Geräts direkt wieder auf den Aufnahmekopf geleitet wurde, nannte er "Kopierschaltung". Sie wurde vor allem beim Aufbau von komplexen Klängen benutzt. Die Bandrückkopplungsschaltung ("RK-Schaltung") entsprach genau dem, was man später als Bandecho in kommerziellen Geräten fand.
Dann versuchte ich, das Gelernte irgendwie umzusetzen mit meinen beschränkten Mitteln. Stück für Stück erwarb ich Geräte – vor allem solche, die ich auf den Fotos des Kölner Studios gesehen hatte: ein uraltes Filtergerät, dann ein sog. Universalfilter von Klein & Hummel (einen 20 kg schweren Koloss!), Tongeneratoren, zwei Revox-Bandgeräte und zuletzt – mit Hilfe der Televico - ein teures B&K-Spezialfilter, mit dem ganz extreme Klangbeeinflussungen möglich wurden.

Dazu suchte ich überall nach Literatur zum Thema und fand eine ganze Reihe von "Gravesaner Blättern". Diese Zeitschrift war zwar schon 1966 eingestellt worden, enthielt aber doch viele spannende Artikel. 1968 erschien für kurze Zeit die amerikanische Zeitschrift 'Electronic Music Review', in der eine ganze Reihe von technischen Beschreibungen standen - u.a. beschrieb Walter Carlos das von ihm selbst gebaute Mischpult. Ich glaube auch, dass ich dort die ersten Inserate von Moog sah – auf jeden Fall schrieb ich sofort an alle Inserenten, die interessante Geräte anboten und erhielt sogar gelegentlich Antworten. Moog z.B. schickte mir seine Prospekte und dazu eine wunderbare Werbe-Schallplatte mit Klangbeispielen (sie wird später nochmals eine Rolle spielen!). Allerdings überstiegen die Preise dieser Geräte (in damals überteuren US-Dollars) meine Möglichkeiten zunächst bei weitem.
Ich arbeitete wie besessen in dieser Zeit, denn das TVspot-Geschäft der Televico entwickelte sich schlagartig, seitdem wir in Cannes am Werbefilm-Festival mit dem 'Bic'-Spot einen ersten Preis gewonnen hatten. Man kann es heute kaum glauben: wir (und damit ich) machten damals gleichzeitig alle Spots für die Migros, Coop und Usego, dazu kamen Firmen wie Kodak, Ciba etc. Für viele davon verwendete ich die elektronischen Klangmöglichkeiten, die ich hatte: die Ondes Martenot (z.B. für Ri-ri Reissverschlüsse), Aufnahmen mit halber Bandgeschwindigkeit (z.B. für einen Kodak-Spot, wo ich die Bach-Trompete mit einer gewöhnlichen Trompete hinschwindelte), Musique concrète-Collagen (z.B. für einen Araldit-Spot, der nur aus Geräuschen zusammengesetzt wurde).
Die Televico drehte 1969/70 einen Experimentalfilm ("Ddanach" von Robert Cohen), bei dem die "Schauspieler" ausschliesslich grosse Baumaschinen waren. Die Musik bestand weitgehend aus extrem gefilterten, auf bestimmte Tonhöhen gestimmten Maschinengeräuschen (die Knochenarbeit für die vielen Grundbänder dazu machte der Tontechniker Peter Pfister, der gerade neu zur Firma gekommen war). Den Rest der Musik machte ich mit einer Tonband-Rückkopplungs-Schleifeneinrichtung über zwei Bandgeräte, in die ich improvisierte Ondes Martenot-Klänge einspies. Diese Einrichtung war eine logische Weiterentwicklung der Bandecho-Schaltung. Ich weiss nicht genau, ob Jaap Spek mich auf diese spannende Idee brachte - in meinen Notizen finde ich ein Schema, das vermutlich von 1968 stammt mit dem Titel "Uebergang Klang auf Geräusch" - ein naheliegender Titel, da nach einigen Durchgängen das Bandrauschen und die Verzerrungen immer mehr zunahmen. Dies war mein erster ernsthafter Versuch mit "Live-Looping" (wie man es später nannte) - ich verwendete die Technik dann vor allem in Performances mit der Tänzerin Geneviève Fallet.

Der erste Synthi

Plötzlich kam - durch die Urheberrechte der TVspots - auch viel Geld herein, und ich konnte mir auch etwas Teureres leisten. Ein Inserat von EMS London brachte mich auf den gerade noch erschwinglichen Synthi VCS-3. Anfangs 1970 wurde er geliefert und erwies sich dann als extrem spannende Wunderkiste. In einer langen Nacht, in der ich meine Familie wahrscheinlich an den Rand des Wahnsinns trieb, produzierte ich die Musik zu einer Werbeplatte für SIG-Pressluftbohrer – mit zwei Tonbandgeräten, ein paar Tonbandaufnahmen von Pressluftbohrern, dem VCS-3 und einem ersten primitiven 'Klopfgeist', einer japanischen Drum Machine.

KS-Productions

Der Traum vom eigenen Tonstudio, in dem ich selber schalten und walten und in dem ich selber unbeschränkt produzieren könnte, liess mich nicht los, und so kam es zur Gründung der KS-Productions, zusammen mit meinem Kollegen Hans Kennel. Wir fanden in Dietikon ein Studio, dessen Besitzer Serge Meyer einen Handel eingehen wollte: wir mieteten das Studio für einen festen Betrag. Ich realisierte erst nach einiger Zeit, was ich mir da aufgeladen hatte, denn der Studiobetrieb lag vor allem in meinen Händen. Wir versuchten, mit Eigen- und Fremdproduktionen Geld zu verdienen, aber das war sehr mühsam. Immerhin konnten wir ein paar Produktionen verkaufen, vor allem an die EMI, und hatten ein paar wiederkehrende Aufnahmeaufträge. Ich konnte meine Filmmusiken ungestört und ohne allzu grossen Zeitdruck produzieren, und auch unsere "Jazz Rock Experience"-LP entstand dort. 1971 kam als dritter Partner Freddy Burger dazu, und im Uebermut der ersten Zeit bestellten wir gemeinsam einen Riesen-Synthesizer, den Synthi 100 von EMS London. Allerdings, kaum hatten wir das Ding bestellt, bekamen meine Partner kalte Füsse, und ich hatte die Wahl, vom Kauf zurückzutreten oder die Sache allein durchzustehen.

Der Synthi 100

Ich entschied mich todesmutig für das Letztere und entschloss mich, den Keller im Einfamilienhaus in Schlieren in ein Tonstudio umzubauen. Dabei zeigte sich zuerst, dass keine Türe breit genug war, um den Transport des Synthesizers ins Studio zu ermöglichen, also liess ich die Türe verbreitern. Dann kam die Idee, mit dem Synthesizer für grosse Auftritte zu reisen (ich stellte mir das Gewicht des Dings nicht sehr realistisch vor), und so kaufte ich einen neuen Volvo mit erhöhtem Dach. Das war eigentlich ein Krankenwagentyp, der aber auch vom Fernsehen für Reportagewagen gebraucht wurde – mit dem Effekt, dass beim Fernsehstudio die Schranke sofort hochging, wenn ich nur in die Nähe des Studios kam.... (Der Volvo als Transportmittel war natürlich eine Schnapsidee – ich transportierte das Ding später zwar ein oder zwei mal ins Fernsehstudio für eine Sendung, aber mit einem Möbelwagen.) Im August 1971 kam dann die Mitteilung, das Ding sei fertig, und ich könne es in England besichtigen. Also reiste ich nach London, nahm den Vorortszug zur Fabrik und versuchte, mir das Gerät anzuschauen und erklären zu lassen. Das war allerdings nicht so einfach, denn die ganze Belegschaft stand darum herum und probierte alle Funktionen aus, und niemand kaum auf die Idee, mir irgendetwas zu erklären. So reiste ich dann etwas unsicher wieder ab und wartete auf die Lieferung. Als dann eines morgens anfangs September der Bericht kam, am Flughafen seien zwei grosse Kisten für mich eingetroffen, wurde ich noch etwas unsicherer. Ich fuhr zuerst zum Zollamt und versuchte, den Leuten dort zu erklären, was da verzollt werden sollte. Nach langen, erfolglosen Erläuterungen meinte ich entnervt, es sei etwas wie eine elektronische Orgel. Darauf meinte der Zöllner: 'warum haben Sie das nicht vorher gesagt?', und dann lief alles am Schnürchen und ich stand allein an der Laderampe vor zwei Holzkisten von je 2 Meter Länge und über einem Meter Höhe und Tiefe. Die Leute, die darum herumstanden, zuckten die Achsel, als ich um Hilfe bat. Also besorgte ich mir einen Schraubenzieher und begann, die Kisten zu öffnen. Und, oh Wunder, kaum war ein Brett abgeschraubt, erschien schon jemand und fragte, ob er es mitnehmen dürfte. Am Schluss stand ich da mit einem Holz-Untergestell und dem Monster selbst und hatte wenigstens aushandeln können, dass mir beim Einladen ins Auto ein paar Leute halfen. In der ersten Fuhre kam das Gestell nach Schlieren, im zweiten Anlauf der Synthi, der gerade knapp Platz hatte (schliesslich hatte ich den Volvo nach Mass gekauft...) – allerdings konnte ich nicht verhindern, dass dann doch noch die hintere Scheibe des Wagens herausfiel, weil eine Kante dagegendrückte. In Schlieren fand ich auf einer Baustelle drei italienische Handwerker, die bereit waren, kurz zu helfen. Die Verständigungsschwierigkeiten führten allerdings dazu, dass im entscheidenden Moment alle losliessen und meine Frau Marianne und ich allein dastanden mit den 100 kg in der Hand. Aber am Schluss klappte es, und ich hatte das Ding am richtigen Ort. Bald zeigte sich, dass die Anleitung dazu bestenfalls rudimentär war. Vor allem der digitale Sequencer, für die damalige Zeit ein absolutes Novum, gab viele Rätsel auf. Und als ich dann doch durchblickte, kamen ein paar kuriose Mängel zum Vorschein: jede Betätigung eines Lichtschalters im Haus löschte, stoppte oder startete den Sequencer – je nach Lust und Laune. Mit dem Rat von Nick Bertschinger, der damals unser Pianist war und an der ETH studierte, besorgte ich zuerst ein Netzfilter und dann einige Kondensatoren, die ich an allen möglichern Orten anlötete. Das half – bis ich herausfand, dass ein Lichtschalter in der Nähe den Sequencer dazu brachte, rückwärts zu laufen. Also brauchte es nochmals ein paar Kondensatoren.
Bald hatte ich laufend Aufträge für Synthesizermusik, und schon kamen wieder Erweiterungspläne: ich brauchte ein richtiges Mischpult und eine Mehrspurmaschine. Beides war zu haben – bei Stephan Sulke in Biel, und zwar ein selbstgebasteltes Pult (sah fürchterlich aus, war grauenhaft wüst gelötet und verdrahtet, aber lief und klang erstaunlich gut) und eine Leevers-Rich-8-Spur-Maschine. Beides traf im März 1972 ein. Eine Woche später kam ein dringendes Telefon von Sulke: er müsse am nächsten Tag Bob Dylan in Genf aufnehmen und brauche dazu dringend die Tonbandmaschine... Er tauchte dann tatsächlich auf, lud das Ding eigenhändig auf und brachte einen Swissair-Piloten dazu, es als Handgepäck auf einem Flug nach Genf zu akzeptieren. Das Pult bewährte sich bis 1975, wo ich es durch ein nagelneues 12/16-Pult von MCI ersetzte.

Jazz und Elektronik

Neben all dem – ich habe keine Ahnung, wie das möglich war – nahm mein Engagement in mehreren Jazzgruppen immer mehr Zeit in Anspruch. Mit dem Metronome Quintett produzierten wir mehrere Langspielplatten, mit dem Hans Kennel Quintett, Octett, Sextett und der Folgegruppe "Jazz Rock Experience" etc. machten wir Konzerte.
Dabei versuchte ich immer mehr, meine Elektronik auch im Jazz einzusetzen: zuerst 1966 die Ondes Martenot, die ich unterdessen leidlich spielen gelernt hatte, dann ein Hohner Clavinet, das ich mit verschiedenen zusätzlichen Klangeffekten ausstattete, schliesslich gegen Ende 1967 verschiedene elektronische Zusatzgeräte zum Saxophon, die vor allem einen Oktaveffekt erzeugten. Das Selmer 'Varitone', das ich zuerst ausprobieren konnte, war mir zu teuer und zu umständlich – man musste mit der Elektronik gleich noch das ganze Saxophon mitkaufen. Durch unseren Nachbarn Jost Heer, der ein Musik Engros-Geschäft besass, konnte ich dann das Conn-Gerät kaufen, und das war dann wirklich gut. Hans Kennel erwarb auch einen Conn-Multivider für die Trompete, und damit waren wir ausgerüstet für unsere Gruppe 'Jazz Rock Experience', die 1970 als erste Jazz-Rock-Gruppe der Schweiz ziemlich Aufsehen erregte, sowohl positiv (durch ihren Erfolg, auch in Popkreisen) als auch negativ (bei den Jazzern, die uns 'kommerziellen Ausverkauf' vorwarfen). Etwas später ersetzte ich das Conn-Gerät durch den grösseren und komplizierteren 'Condor' von Hammond-Innovex. Die LP "The Metronome Quintet at the Zoo" von 1969 war "mein Sgt. Pepper-Album": ich versuchte alle Verfahren, die ich bei den Beatles gehört hatte, bei den Aufnahmen einzusetzen - rückwärts laufende Tonbänder, Aufnahmen mit Viertelgeschwindigkeit, Montage von Tiergeräuschen (also eine Art primitives "Sampling") etc etc.

Switched-on Switzerland

Eine rein elektronische Schallplatte wollte ich produzieren, und in der Folge der vielen "Switched on..."-Nachfolgeproduktionen kam ich auf die Idee einer elektronischen Ländlerplatte (nicht zuletzt dank Walter Wettler, der mich in seinem Studio mit den besten Ländlermusikern zusammenbrachte und mir Hochachtung vor Leuten wie Thomas Marthaler und Ueli Mooser beibrachte.) Das war schwieriger, als ich gedacht hatte - aber nach ca. einem Jahr Arbeit mit dem Synthi 100 und vielen andern analogen Synthis wurde sie fertig und wurde 1974 mit recht viel Presseaufwand von der CBS herausgebracht. Ich erwartete Prügel von den Ländlerfreunden und wurde angenehm enttäuscht - der Ländlerpapst Wysel Gyr setzte sich sogar dafür ein.

Elektronik-Konzerte und Synthesizerkurse

1974 schrieb ich für die Zeitschrift "Music Scene" eine Artikelserie über Synthesizer, und das bewirkte einen Strom von Anfragen für Vorträge. Im Künstlerhaus Boswil leitete ich zwei mal Einführungskurse in die Synthesizer-Bedienung. Teilnehmer waren u.a. Willy Bischof, Jürg Solothurnmann, Rolf Adler, Peter Jacques, Mario Schneeberger. Als "Electronic Circus" kamen daraufhin kommentierte Solo-Konzerte zum Zug. Sie bewirkten die tollsten Zeitungskommentare, von "Zukunft der Musik" bis zu "Grauenhafte Verschandelung der Musik" oder "Abstossendes Tonschlachtfest in Dietikon" (ein Artikel, der zu einer halben Seite Leserbriefe führte - er ist einzusehen auf der Reviews-Seite). Ein Solo-Nachmittags-Konzert (1977) auf der Terrasse des alten Casino am Jazzfestival Montreux ist auf der LP "Voice of Taurus" dokumentiert - durch die unglaubliche Sommerhitze auf der Terrasse wurden meine Geräte zu unerhörten und unkontrollierbaren Klängen angeregt.

1975 kam es zu ein paar Konzerten mit George Gruntz und dem englischen Perkussionisten Tony Oxley unter dem Namen "Synthesizer + Electronic Percussion Show", die einen Kritiker zum schönen Titel "Zuviel Rockhausen mit Stock" anregten.. Im gleichen Jahr wagte es die 11-Mann-Band "Groupe Instrumental Romand" von Radio Genf (Leitung Luc Hoffmann und Stuff Combe) mit mir am Synthesizer und Lyricon Live-Konzerte zu veranstalten.
1976 wurde ich angefragt, für den Weltkongress der AES (Audio Engineering Society), der in der Schweiz stattfand, die "Abendunterhaltung" zu liefern. Ich stellte dafür das "Swiss Synthesizer Quartet" zusammen mit George Gruntz (Fender-Piano und RMI Keyboard), Emile Ellberger (Violine und EMS Synthi), Stuff Combe (Schlagzeug) und mir (vor allem Lyricon). Dazu kam eine Ländlergruppe und Alphornspieler, die wir dann über eine Mehrkanalanlage durch den Saal "bewegten". Ich ahnte nicht, dass sich diese Sache zu einem Riesen-Abenteuer ausweiten würde. Gegen Abend, nach einer Essenspause, kamen wir zurück in den Kursaal Baden - mitten in eine Schar von Polizisten mit grimmigen Gesichtern, die das ganze Gebäude umstellt hatten und durchsuchten. Nach einiger Zeit konnte ich herausfinden, was los war: unter vorgehaltener Hand wurde mir erzählt, dass eine Bombendrohung gegen den Kongress eingegangen war mit dem Wortlaut, "dass etwas passieren werde während der Musikaufführung". Sofort richtete sich der Verdacht auf den armen Emile Ellberger, der das Pech hatte, in Beirut geboren zu sein. Und der arme Kerl wurde auch immer nervöser - er hatte ungeheures Lampenfieber - aber das steigerte natürlich noch den Verdacht, dass er der Bombenleger sein könnte. Nun, am Schluss ging das Konzert über die Bühne - wir Alle waren furchtbar nervös und verpatzten Vieles, und von Emile kam ausser einem gelegentlichen grauenhaften Lärmausbruch und ein paar schüchternen falschen Tönen überhaupt nichts... Ein paar Tage später, etwas beruhigt, spielten wir unsere Stücke im Radio Genf nochmals.

1978 entstand das Duo mit dem Perkussionisten Reto Weber, das dann - mit Unterbrüchen - über 20 Jahre lang hielt. Reto hatte ein riesiges Arsenal von Klang- und Geräuschinstrumenten (bis zur quietschenden Gummiente), das wir für eine Reihe von frei improvisierten Stücken brauchten. Damals waren Ufos in aller Munde - darum nannten wir die live aufgenommene LP "Sound of the Ufos" und nannten die Stücke "Destination Galaxy M81" und "Cosmic Samba". Zusammen spielten wir dann u.a. über 500 Schulkonzerte, jedesmal vor 20 bis 100 Schülern - ich vermute, wir hatten über die Jahre hin über 50'000 Zuhörer. Aus dem Duo wurde dann zeitweise ein Trio resp. Quartett mit Albert Mangelsdorff, Posaune, Ernst Reijseger Cello und nachher Christy Doran, Gitarre.

Lyricon

1975 stiess ich auf ein Inserat für ein elektronisches Blasinstrument, das "Lyricon" von Computone. Kurz entschlossen bestellte ich das Ding, und es erwies sich als eine geniale Erfindung. Bill Bernardi, der Erfinder, war selber Saxophonist, und hatte genaue Vorstellungen davon, wie flexibel sein Gerät sein sollte. Man konnte das Lyricon I extrem differenziert spielen. Allerdings war es - vor allem anfangs - sehr heikel, und ich musste es nach kurzer Zeit reparieren lassen. Kurz entschlossen nahm ich das Flugzeug nach Boston - allerdings zu einem ungünstigen Zeitpunkt, da zu der Zeit wegen Terroranschlägen die Flüge extrem kontrolliert wurden. Man erwartete von mir allen Ernstes, dass ich das Instrument aufschraube. Am Schluss gab der Pilot die Einwilligung, es mitzunehmen. Etwas später baute Bernardi das Lyricon II, das etwas einfacher und billiger gebaut war und viel eher nach einem der damals üblichen Synthesizer klang. Mit diesem Ding konnte man sogar 2-stimmig spielen und alle die typischen Wah-wah-Effekte machen. Der "Wind Driver", der dann noch kam, war ein reines Steuerinstrument für analoge Synthesizer, z.B. für einen Mini-Moog.
Mit dem Lyricon reiste ich - auf Einladung des EMS-Chefs Ludwig Rehberg - 1979 ziemlich blauäugig nach Linz an den 1. Wettbewerb der Ars Electronica für das "zukunftsweisendste elektronische Instrument". Ohne viel Hoffnung improvisierte ich ein kurzes Stück und hörte dann staunend zu, was Peter Vogel mit seinem Fairlight-CMI-Computer alles anstellte. Zu meiner (und anderer) riesigen Ueberraschung erhielt ich (d.h. das Lyricon) den ersten Preis! In Linz lernte ich - und das war wichtig für meine Zukunft - Hubert Bognermayer, Joel Chadabe, Peter Vogel, Bob Moog und Wendy Carlos kennen. Im folgenden Jahr konnte ich wieder auftreten mit der Band von Toto Blanke (u.a. mit Charlie Mariano), und im 3. Jahr führten wir ein Ballett mit 3 Fairlights, Lyricon etc etc auf ("Erdenklang-Sinfonie"), eine Riesenkiste, u.a. mit einer Solo-Improvisation von Bob Moog. Das war alles sehr schön und spannend, nur leider finanziell jedes Mal eine Katastrophe. Darum wollte ich für ein nächstes Mal endlich auch bezahlt werden - seither wurde ich von der Ars Electronica nicht mehr eingeladen.

Kaufmännische Niete

Wenn man in dieser Pionierzeit als Erster eines Landes ein Gerät bei einer amerikanischen Firma bestellte, kam unweigerlich postwendend die Anfrage, ob man gerade auch als Vertreter agieren wolle. Das leuchtete mir ein, und so war ich nullkommaplötzlich Schweizer Vertreter von EMS, ARP, Computone, später dann AMS, Sequential Circuits, Linn etc. Natürlich war ich davon komplett überfordert. Vieles war auch viel zu teuer, wenn man es aus den USA importierte: ich fand dann heraus, dass es billiger war, nach New York zu fliegen und dort bei Sam Ash einen ARP 2600 zu kaufen, als ihn über den holländischen Alleinimporteur (von dem ich Alles beziehen musste) kommen zu lassen...(so kam u.a. das elektronische Studio des Konservatoriums Basel zu seinen Synthesizern, nachdem es sich bei mir ausgiebig hatte beraten lassen. Noch eine Anekdote: in diesen Jahren ging ich einmal in den Musikladen von Jacques Isler und stellte dem Verkäufer eine Frage nach einem neuen Gerät. Seine Antwort: "Gehen Sie doch zum Spoerri, er kann das beantworten, und nachher besorgen wir Ihnen das Gerät gerne...") Immerhin verkaufte ich für Sequential Circuits etwa 30 Prophet V (und bekam alle postwendend retour zur Garantiereparatur...) und einige Lyricons (u.a. an Klaus Doldinger). Das tollste waren die Kontakte, die mir das einbrachte: David Friend von ARP kam persönlich vorbei, um mir einen neuen Synthesizer zu zeigen, Tom Oberheim kam mehrmals auf Besuch, Felix Visser kam per Flugzeug über das Wochenende, um seinen Synton-Vocoder zu reparieren, Dave Smith von Sequential Circuits tauchte auf...Am Ende war ich aber froh, als ich Alles weitergeben konnte an die Grossisten Jost Heer und Musik Ernst, die etwas vom Geschäft verstanden und darum in klarerer Sicht der Probleme auch bald aufgaben.
1974 waren wir von Schlieren in eine Villa am Zürichberg umgezogen, die wir recht billig mieten konnten. Da hatte es im Parterre riesige Räume, und ich benutzte sie als Tonstudio. Zuerst nahm ich vor allem Folk-Rock-Gruppen und Dialektsänger (u.a. Toni Vescoli, Skibbereen, Walter Lietha) auf, dann wurde ich zu mutig und produzierte selber Gruppen, die mir gefielen - mit desaströsen finanziellen Folgen (z.B. Infra Steff, Hardy Hepp). Als Duo mit dem Can-Keyboarder Irmin Schmidt entstand in fast 2-jähriger Arbeit das Album "Toy Planet", das zwar - vor allem in England - in alle Himmel gelobt wurde, aber doch kaum etwas einbrachte. Und so schloss ich 1980 das Studio und schwor mir, nie mehr Produzent spielen zu wollen. Gleichzeitig zogen wir in ein Bauernhaus in der "Sommerau" bei Oetwil am See.

Die neue digitale Welt

Kurz nach dem Auftauchen des Fairlight 1979 kamen die digitalen Geräte eines nach dem andern: der erste digitale Drumcomputer von Linn, der "Billig-Sampler" (dh. 15'000 Fr.!) Emulator. 1981 bildeten der Keyboarder Joel Vandroogenbroeck ("Brainticket") und ich ein Improvisations-Duo, bei dem wir erstmals Sampling und Drumcomputer live verwendeten. Wir konnten sogar unsere zwei Drummaschinen (sehr primitiv) miteinander synchronisieren. Einige Live-Aufnahmen dieser Zusammarbeit sind auf der CD "Double Brain" zu finden.

1982 zeigte sich, dass immer mehr Leute sich für digitale Musik interessierten. Vor allem Gerald Bennett, der vorher im IRCAM Paris eine führende Rolle gehabt hatte, bewies, dass man mit Computern mehr als nur ein paar Piepser machen konnte. So gründeten wir im Garten der "Sommerau" in Oetwil am See die "Schweizer Gesellschaft für Computermusik". 1983 organisierten wir eine grosse Tagung im Radio Zürich, mit Max Mathews und Jean-Claude Risset als prominente Referenten, einem Wettbewerb für neue Software, einem Konzert mit "Brainticket" (auf CD erschienen bei Cleopatra Records) etc - ein Riesenerfolg. Die "Gesellschaft" brachte damals alle Leute zusammen, die sich für das Gebiet interessierten. Leider schlief sie nach einigen Jahren ein.
An die Anschaffung eines eigenen Musikcomputers war nicht zu denken - so etwas kostete damals noch über 200'000 Franken. So kamen wir auf die Idee, ein "Schweizerisches Zentrum für Computermusik" zu gründen und für die Anschaffung eines Computers Geld zu suchen. Die Geschichte der "Gesellschaft" und dieser Institution, die 1985 offiziell eröffnet wurde, muss separat einmal erzählt werden.
Nach einigen wenig brauchbaren Versuchen mit einem KIM- und einem PET-Microcomputer kam ich 1984 zu einem DEC Rainbow und konnte damit digital einen "Votrax"-Sprachgenerator steuern - daraus entstand ein Stück für Sänger (Daniel Mouthon) und Computer: "Alice in Chipland". 1985 konnten wir den PDP-11 Computer des Zentrums mit einem speziellen Musikrechner, dem DMX-1000 in Betrieb nehmen, und für die Eröffnung machten wir schon den kühnen Versuch, mit dem Ding (über ein analoges Interface) mit Musikern aus der Free-Jazz-Szene zusammen zu improvisieren. Viel kam noch nicht heraus dabei, aber die Idee war immerhin da (die Idee des Stücks "Brouillard - débrouillé" habe ich viel später erst befriedigend realisieren können)...
Mit dem Commodore C64 und einer ersten Sequencer-Software und dann bald mit einer Midi-Loop-Software, die Hans Deyssenroth geschrieben hatte, sowie einem ersten Pitch-to-Voltage-Converter von IVL, den ich in Kanada gefunden hatte, entstanden 1985/86 die ersten Improvisationsstücke - Vorstufe zu dem, was ich dann "Computer-Assisted Jazz" (CAJ) nannte. 1986 konnte ich damit erstmals in New York auftreten - unglaublich stolz darauf, dass im Zuschauerraum u.a. Roscoe Mitchell, Muhal Richard Abrams und Wendy Carlos sassen. Der C64 "crashte" allerdings in der letzten Minute eines Stücks - was allerdings ausser Wendy niemand merkte. Wichtiger als die Konzerte war das Zusammentreffen mit Joel Chadabe: er zeigte mir den ersten Macintosh und gab mir die ersten Versionen der von ihm und seinen Studenten (vor allem David Ziccarelli) entwickelten Software M und Jam Factory. Im November 86 hatte ich auch meinen ersten Mac und schon einen Monat später die ersten Auftritte mit eigenen interaktiven Improvisationsstücken mit dem Mac. Im Duo mit Reto Weber bauten wir ein Programm aus mit immer mehr solchen Stücken - besonders auch, nachdem ich von Laurie Spiegel noch ihr "Music-Mouse"-Programm erhalten hatte, mit dem man live extrem gut spielen konnte. Anfangs 1990 kam dann noch etwas Neues hinzu: eine erste Beta-Version von MAX (damals noch 'Patcher' genannt), der Musik-Programmiersprache von Miller Puckette aus dem IRCAM. Ich stürzte mich mit Feuereifer auf das Programm, und im Mai standen schon die ersten Stücke mit MAX: Im August funktionierte für eine Musik-Messe in Biel eine interaktive Installation, die mit einem Distanzmesser arbeitete.
Aber etwas noch Besseres war im Kommen: im Oktober 1989 hatte ich an einem Kongress in Brüssel eine Installation gesehen, die mich auf Anhieb überzeugte: der Kanadier David Rokeby zeigte sein "Very Nervous System". Dank der Hilfe der Nokia Schweiz konnte ich ihn ein Jahr später nach Zürich holen für eine Ausstellung, und ich liess ihn nicht weggehen, bevor er mir sein System verkauft hatte. Das "VNS"-System wurde zu meinem wichtigsten Performance-Instrument und auch zur Grundlage für einige interaktive Musikinstallationen (u.a. im Technorama Winterthur, im Verkehrshaus Luzern und im SwissJazzOrama in Uster). Ganz besonders erinnere ich mich an die Tekkno-Installation am Polyball Zürich 1994: einen leeren Raum, der von den Tänzern zum Musikspielen angeregt wurde. Besonders lustig war, zuzuhören, wie die technisch gebildeten Studenten ihren Partnern das Funktionieren des Systems "erklärten" und dann am Boden vergeblich nach Fussmatten und Schaltern suchten.
Als Midi-Instrumente kamen noch zwei fantastische Geräte dazu: der "Thunder"-Controller von Don Buchla und das Synthophone von Martin Hurni. Mit diesen konnte ich weitgehend meine Prinzipien durchhalten: "rühre während einem interaktiven Stück nie den Computer an, da dies die Konzentration auf die musikalische Improvisation stört." Und: "wer länger als 15 Minuten braucht, um seine Instrumente aufzubauen, ist ein elender Bastler." (Mit beiden Merksätzen habe ich mich natürlich schon fürchterlich blamiert, wenn sich plötzlich die ganze Elektronik gegen mich verschworen hatte...)
Mit Reto Weber im Duo und später im Trio und Quartett mit dem Cellisten Ernst Reijseger, dem Gitarristen Christy Doren und dem Posaunisten Albert Mangelsdorff (als Quartett "Movin'on") reisten diverse Macintosh-Computer mit mir um die halbe Welt, u.a. in die USA, den Sudan, nach Indien, nach Aethiopien und Eritrea. Einige Reisen entwickelten sich zu grossen Abenteuern, und ich könnte einige Anekdoten über unsere Erlebnisse erzählen. So etwa aus Indien: da kamen wir früh morgens in Bombay an, und die Zöllner wollten unbedingt jedes einzelne Gepäckstück genau kontrollieren. Ich hingegen hatte keine Lust, die sorgfältigst gepackten Kisten alle auszupacken und die Seriennummer jedes einzelnen Geräts nachkontrollieren zu lassen. Also begann eine komplizierte Diskussion, immer höhere Beamte erschienen - nach mehr als zwei Stunden reduzierte sich dann Alles auf den Wunsch, die Seriennummer des Cellos (!) zu sehen. Reijseger packte es aus, und begann, mitten im Flughafen eine endlose Bachsonate zu spielen, bis die Zöllner aufgaben. Nach dem Flug nach Delhi entdeckte ich zu meinem Schrecken, dass der Bildschirm des SE/30 kaputt war - ich hatte gerade noch gesehen, wie die Kiste mit dem Computer aus etwa 5 Metern Höhe auf den Boden gefallen war. Kurz entschlossen suchten wir die Apple-Vertretung - ein Büro in einem Labyrinth von Geschäften in einem riesigen Häuserblock und beschworen die Techniker, das Ding zu reparieren. Und es geschah etwas, was mir später niemand glauben wollte: innerhalb von 3 Stunden war der Bildschirm ausgetauscht (ich vermute, ein anderer Kunde hasst mich heute noch...) und Alles lief wieder. Wir haben heute noch Kontakt zu Anna Paul , die das Wunder möglich machte.

Heute sind all diese Dinge Allgemeingut geworden - MAX/MSP, SoftVNS etc etc sind ohne Probleme erhältlich, mit Tutorials, Unterrichtskursen - Zeit für mich für eine Neu-Orientierung. Immer mehr interessierte ich mich in den letzten Jahren für die Geschichte der Musik, vor allem des Jazz und der elektronischen Musik, und ich merkte, dass über die Schweiz nur äusserst lückenhaftes Material vorhanden war. Und so wurde ich zum Chronisten, zuerst des Schweizer Jazz, dann der eletkroakustischen Musik.

Studio Schneckenmannstrasse in Zürich, 1974

Live mit "Jazz Container", 1974

Sommerau, Oetwil am See, 1985

Sommerau, Oetwil am See, 2004

Live-Performance Set, 2004